The Great Famine - Die Hungersnot in Irland

Irland, uns allen als wunderschöne grüne Insel mit lebenslustigen Bewohnern, hat eine Geschichte der Entbehrungen hinter sich.
Die größte Bedrohung der Iren war die Kartoffelpest, die in den Jahren 1845 bis 1849 wütete. Eine gewaltige Hungersnot dezimierte die Bevölkerung innerhalb weniger Jahre um rund die Hälfte. Über eine Million Iren verhungerten, weitere 1 bis 2 Millionen wanderten während drei aufeinander folgenden Missernten und in den folgenden Jahrzehnten aus, vor allem nach Amerika.
Die Auswirkungen sind bis heute spürbar und Spuren hiervon überall im Land sichtbar.

Im 19. Jahrhundert (1845) wurde eine Kartoffelernte fast vollständig von einem Pilz namens "Phytophthora infestans", eingeschleppt aus Nordamerika, zerstört. Dieser Pilz ließ nicht nur das Kartoffelkraut faulen, seine Sporen fanden im immerfeuchten Boden der regenreichen Insel auch an den Knollen reichlich Verbreitung. Dieser Pilzbefall, als Kartoffelpest bekannt, hatte fatale Folgen für die kleinen Pachtbauern. Sie mussten auf ihre Vorräte zurückgreifen, und das waren die Setzkartoffeln für die Ernte des kommenden Jahres. Als sich der Pilz in den folgenden drei Jahren weiter ausbreitete und zu noch mehr Missernten führte und zudem das Saatgut verbraucht war, standen die irischen Kleinbauern vor dem Ruin.

Die große Hungersnot, "The Great Famine" ging in die irische Geschichte ein. Zahlreiche Hinweise  und Monumente zeugen von der allgegenwärtigen Erinnerung an diese Zeit.

 

Was tat die Regierung?

Hilfe hätte von der englischen Regierung kommen können. Doch das Gegenteil geschah.
Die hungernden Iren mussten zusehen, wie die wenigen Kartoffeln von englischen Landbesitzern nach England verschifft wurden. Schlimmer noch, selbst die Getreideernte, die normal ausfiel und eine Ernährungsgrundlage hätte bilden können, wurde exportiert, denn die mittellosen Iren hatten kein Geld um Brot und Mehl zu kaufen. Es war die Zeit des Wirtschaftsliberalismus, und nicht wenige Bildungsbürger im fernen London vertraten die Ansicht, dass eine solche Hungerkatastrophe ein wichtiges Regulativ gegen eine drohende Überbevölkerung Irlands sei. Keinesfalls dürften durch subventionierte Lebensmittel Preise und damit Märkte gefährdet werden. Andere sahen die "Great Famine" als willkommenen Anlass, eine aus englischer Sicht "aufsässige" irische Bevölkerung zu disziplinieren.
Was immer zu Gunsten der Iren unterlassen wurde, es passte dem englischen Bürgertum, dem eine boomende Industrie und koloniale Machtpolitik rosige Zeiten verhieß. Zwar war Irland seit Cromwells blutiger Unterwerfung im Jahre 1649 Teil der englischen Krone und war keineswegs mit den fernen Kolonien vergleichbar, aber englische Politiker gingen nicht davon aus, dass die Iren der englischen Herrschaft gegenüber loyal wären.
Aus der anhaltenden Kartoffelkrise konnten daher die Iren nur geschwächt, die Engländer gestärkt hervorgehen. Vergessen haben die Iren das Verhalten der Engländer während der Kartoffelpest nicht.
Der Exodus von Millionen Iren war neuerlicher Auftakt eines Unabhängigkeitskampfes, an dessen Ende die Gründung der Republik Irland im Jahre 1949 stand. Der Konflikt um Nordirland ist bis heute nicht beigelegt

 

Doch Irland entwickelte sich weiter

....allerding so richtig erst seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, und das hatte zunächst mit dem Luftverkehr zu tun. Ein unbekannter Provinzflughafen namens Shannon entwickelte sich zur Transatlantischen Tankstelle.
Mit dem Wirtschaftswunder auf dem europäischen Kontinent boomte der Luftverkehr. Die Zauberworte modernen Reisens hießen Superconstellation, DC4, DC6 oder Vickers Vicount, später dann Boeing 707. Ob Propeller, Turboprop oder Düsenjet, ohne Shannon lief über Jahre nichts. Der Tankzwischenstop an den irischen Schafsweiden galt als Start jeder Atlantiküberquerung. Wer Shannon gen Westen verließ, konnte dann frühestens im neufundländischen Gander wieder festen Boden betreten.
Für Irland der erste Einstieg ins Zeitalter der Globalisierung. Zwar wurde einige Jet-Generationen später die Kerosintanke im Grünen überflüssig, aber Irland war ein Begriff geworden, und der Name Shannon stand längst nicht mehr nur für den Einkauf im weltweit ersten Duty-Free-Shop beim Tankstop nach Amerika. Stattdessen kamen nun über die schnelle Fluganbindung deutsche Sportbootkapitäne zum seenreichen Netz des gleichnamigen Flusses um die Ecke, um auf untermotorisierten Hausbooten den Stress des Alltags zu vergessen. Die Region entlang des Flusses Shannon entwickelte sich zum Herzstück des neuen Irlandtourismus, und neben den Freizeitskippern zählten vor allem die Petri-Jünger zur festen Klientel. Angeln nach Herzens Lust, Lachse, Zander, Forellen endlos weite Wasserflächen und Motorboote für Jedermann, soviel Freiheit gab es sonst nur im fernen Amerika.

Während die Kontinentaleuropäer in Irland vor allem die betuliche grüne Ferieninsel sahen, klopften die Iren an die Pforte der Europäischen Union. Ausgerechnet eines der ärmsten Länder Europas begehrte Einlass in den Club der europäischen Giganten. Skeptiker witterten den Untergang Europas und irrten gewaltig. Die Europäischen Fördermillionen flossen nicht in Bushaltestellen, Klohäuschen oder Straßenbau, sondern in eine weit effektivere Form der Infrastruktur, die Bildung. Die Folge war eine Generation junger Iren mit glänzenden Fremdsprachen- und Programmierkenntnissen und Weltoffenheit. Das wurde zur Grundlage eines beispiellosen europäischen Entwicklungsprozesses.
Ironie der Geschichte: Ausgerechnet die amerikanischen Nachfahren der ausgewanderten Kartoffelflüchtlinge nutzen das neue Potential, entdecken Irland als Europa-Standort ihrer Software- und High-Tech-Schmieden und katapultieren die rückständige Insel damit ins 21. Jahrhundert. Vor allem die großen Städte wie Cork oder Limerick und allen voran Dublin verzeichnen seit Jahren ein traumhaftes Wirtschaftswachstum.

Selbst von der gegenwärtigen Krisenphase ist Irland unterdurchschnittlich betroffen. Erstmals in ihrer Geschichte sind die jungen Iren nicht gezwungen, ihr Lebensglück außerhalb der Insel zu suchen. Im Gegenteil: Irland wurde Magnet für Zuwanderer aus den Armutsregionen dieser Welt aber auch begehrter Arbeitsort für Jobsuchende und Karrieristen aus anderen Ländern der EU. Nach vielen hundert Jahren scheinen die Entbehrungen auf der Insel endlich ein Ende gefunden zu haben.

 

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